Lothar Lambert

German Mumblecore seit 1971

Nachtvorstellungen

Inhalt (ENTHÄLT SPOILER)

Die erste Einstellung beginnt mit dem Schwenk von einem Gemälde auf das kleinbürgerliche Idyll darunter: Ein Mann und zwei Frauen beim Halma-Spiel – Andreas, ihm gegenüber seine Freundin Angelika, zwischen beiden seine mütterliche Schwester Gerda. Angelika möchte lieber tanzen gehen. Gerda zu ihrem Bruder: „Du bist in letzter Zeit reichlich unsolide.“ Zu Angelika: „Andreas braucht seinen Schlaf.“ Angelika: „Du ziehst doch immer ein Gesicht, wenn andere mal ein bißchen Glück haben.“ Andreas versucht den Streit zu schlichten, fegt dann selbst wütend die Figuren vom Brett und verläßt die Wohnung. Vor dem Kino Colonna (heute Xenon) betrachtet er die Aushänge und geht in den Film, der bereits begonnen hat: „Der Türke war zu schön“. Darin ruft die Mutter eine Ursula an: „Sag mal, was habt ihr für Probleme? Ich habe Martins Tagebuch gelesen.“ Ursula belehrt Martin in einer Amtsstube darüber, daß er einem Mehmet einen überdurchschnittlich hohen Abschlag angewiesen habe. Die beiden sind privat ein Paar, aber auf ihren Annäherungsversuch reagiert er abweisend. Daheim wartet die Mutter auf Martin und stellt ihn zur Rede, als er um vier Uhr morgens nach Hause kommt. Er belügt sie über seinen Aufenthaltsort der letzten Stunden, sie erklärt ihm, sie wisse Bescheid: „Ich kenne dein Tagebuch!“ – „Mein Gott, Mutter!“ Sie will seine „momentane Verwirrung klären“, zeigt sich als sehr dominant. Frühstück bei Andreas und seiner Schwester. Sie macht ihm Vorwürfe, unter anderem weil er spät nach Hause gekommen sei. Er schweigt. Andreas auf dem Balkon in Gedanken. Dazwischengeschnitten: Ein junger Türke verläßt einen Doppeldeckerbus und läuft über die Straße. Andreas im Büro. Angelika ruft an. Sie verabreden, sich den Film, den er am Vorabend nur teilweise gesehen hat, gemeinsam anzuschauen. Sie hat zwar abends ein Seminar, aber: „Das ist ’ne Nachtvorstellung.“ Der Türke deckt in seiner Wohnung den Tisch. Martin erscheint. Andreas im Kinoparkett zu Angelika: „Findest du nicht, daß der Typ mir unheimlich ähnlich sieht?“ Sie findet das nicht und zeigt sich von dem Film wenig begeistert. Martin und Mehmet, der Türke, trinken Brüderschaft. Im Amt empfängt Ursula eine verwirrte, verzweifelte alte Frau. Im Kino zerstreiten sich Andreas und Angelika. Martin in den Fängen seiner Mutter, er soll sich von Ursula trennen. Im Amt zeigt sich Ursula gegenüber Martin verwundert über Aspekte seiner Arbeit und verbittert über drei Jahre Verlobung. Im Bett denkt Andreas an Martin und Mehmet, die händchenhaltend durch eine Grünanlage schlendern, an einem Teich sitzen, sich zwischen Blüten küssen. Gerda beklagt sich gegenüber Andreas, er habe sich verändert. Er reklamiert Zeit für sich, will nicht mehr bemuttert werden. Wieder im Kino, sieht er, wie Martin und Mehmet sich im Amt kennenlernen, Mehmet Martin gleich einlädt und dieser dafür Ursula versetzt. Martin und Ursula beim Sex im Bett. Er: „Es hat keinen Zweck, es geht nicht.“ Sie verzweifelt: „Seitdem du diesen Mann kennengelernt hast, dich mit ihm triffst…“ Martin und Mehmet kommen auf einer Couch einander näher. Martins Mutter weinend am Telephon. Dann besucht sie Mehmet, um ihren Sohn zu sehen, der offenbar inzwischen bei dem Türken wohnt. Ihren Versuch, ihn zurückholen, weist er ebenso ab wie ihr Geld. Andreas liest im Bett das Buch „Sexualität und Neurose im Film“. Martins Mutter greift elegisch in die Klaviertasten, entdeckt das Tagebuch, macht Ursula Vorwürfe, bedrängt ihren Sohn. Andreas mit Gerda, er will ausziehen. Dann in seinem Büro, wo er an Martin und Mehmet denkt. Im damaligen Hof des Victoria-Areals, hinter dem Kranzler-Eck (heute verändert und teilweise überbaut): Andreas lernt einen jungen Libanesen kennen und will sich seiner annehmen. Martin und Mehmet im Freibad. Martins Mutter empfängt Ursula, erklärt ihr, sie halte sie für ihren Sohn für zu alt, glaubt, dieser durchlebe nur eine pubertäre Phase. Ursula sagt der dominanten Dame die Meinung und führt als Beleg für Martins Homosexualität an, daß sie in drei Jahren nur einige Male miteinander geschlafen hätten. Mutter: „Das ist wohl das einzige, was Sie von meinem Jungen wollten, Sie schmutzige Dirne!“ Martin und Mehmet miteinander im Bett. Der Türke schwärmt von seiner Heimat. Martin stellt ihm eine weitere Abschlagszahlung in Aussicht. Ursula wird im Amt zu entdeckten Unregelmäßigkeiten vernommen: Martin hat offenbar 15.000 Mark veruntreut, ist nun krankgeschrieben, Ursula ist aufgelöst. Bei Mehmet daheim: Martin bekommt einen Brief, eine Vorladung zur Kriminalpolizei. Andreas und Angelika miteinander im Bad. Er zeigt sich von dem Libanesen begeistert, ihr schwant etwas. Während er auf der Couch an ihr herumknutscht, meint sie: „Ich kann mir eigentlich ganz gut vorstellen, daß du schwul bist. Nie dran gedacht?“ Sie zerstreiten sich erneut. Andreas allein im Bett, masturbiert beim Gedanken an Martin und Mehmet. Andreas an der Gedächtniskirche, wo er hofft, den Libanesen zu treffen. Am Schaukasten des Kinos Colonna: Um 23.30 Uhr läuft „Ein Schuß Sehnsucht – Sein Kampf“. Andreas denkt an Mehmet und Martin, die einander, offenbar entzweit, auf der Tauentzienstraße beäugen, sowie an andere Szenen aus diesem Film wie seinem eigenen Leben. Bei sich zu Hause mit dem Libanesen: Andreas hat sich um die Verbesserung von dessen rechtlicher Lage bemüht, kann aber nichts tun. Er bringt ihn zu Angelika. Sie beginnt zu tanzen, flirtet mit dem Libanesen – aber nur, bis Andreas gegangen ist. Parallelmontage: Mehmet bekommt einen Brief, in dem Martin ihn von seinen Suizidabsichten unterrichtet. Andreas im Park. Aus dem Off hört man, wie er eine Kontaktanzeige formuliert: „Junger Mann, keine Erfahrung mit dem eigenen Geschlecht, sucht (…) Freund, der ihn vom Träumen zurück in die Realität hilft. (…) Kennwort: Nachtvorstellungen.“