Biographisches von Dagmar Beiesdorfi
Dagmar Beiersdorf wird 1944 (das vielfach zu findende Geburtsjahr 1946 ist falsch) in Landsberg an der Warthe geboren, wohin ihre Mutter vor den Bombenangriffen des Zweiten Weltkriegs aus Berlin geflohen ist. 1947 kehrt diese mit Dagmar Beiersdorf und deren Bruder in die Stadt zurück. Der Vater ist 1944 als Soldat gestorben, die Mutter zieht die Kinder allein groß. Dagmar Beiersdorf wächst in Steglitz, im Südwesten Berlins, auf.
Nach dem Abitur beginnt sie an der West-Berliner Freien Universität ein Studium der Publizistik und der Theaterwissenschaften, welches sie jedoch abbricht, nachdem sie über verschiedene Ferienjobs beim Sender Freies Berlin Ende der sechziger Jahre die Möglichkeit erhalten hat, als Script Girl und Regieassistentin beim Fernsehen und beim Film zu arbeiten – Tätigkeiten, welchen sie rund zwanzig Jahre lang nachgeht, bei Regisseuren wie Rudolf Jugert, Theo Mezger, Jochen Wiedermann, Sohrab Shahid Saless, Adrian Hoven oder Franz-Josef Gottlieb (unter letzterem bei der Jugendserie „Manni, der Libero“). Sie wirkt auch an kurzen dokumentarischen Fernsehberichten mit, vor allem für das „Berliner Fenster“ im dritten Programm von NDR, RB und SFB.
1967 begegnet Dagmar Beiersdorf dem gleichaltrigen Lothar Lambert, der mit ihrem damaligen Liebhaber Wolfram Zobus einen Kamerakurs besucht, an dem auch sie gelegentlich teilnimmt. 1968 erscheint, als Handpressendruck und unter dem Pseudonym Mara Orf, ein Band mit Gedichten von ihr („Mein schlimmer Traum – Gedichte der Mara Orf“), die später teilweise Verwendung finden in Lamberts Streifen „Faux Pas de deux“ und „Tiergarten“.
1971 führt Dagmar Beiersdorf bei dem von ihr auch geschriebenen Kurzfilm „Krimi-Abend“, der Ende 1972 im ersten Fernsehprogramm (im damaligen Regionalfenster des Senders Freies Berlin) ausgestrahlt wird, erstmals Regie. Ein etwa zeitgleich entstandenes Drehbuch für einen abendfüllenden Spielfilm („Alle Mädchen heißen Mäuschen“) bleibt unrealisiert. In diesem Zeitraum tritt sie in „Ex und hopp“ auf, dem ersten längeren Streifen von Lambert und Zobus, der ins Kino kommt. Auch an vielen weiteren Arbeiten des ab 1976 seine Filme allein inszenierenden Lambert wirkt sie – teils ungenannt – mit, als Darstellerin, Co-Drehbuchautorin, Kamerafrau oder Regieassistentin. Umgekehrt ist Lambert an Beiersdorfs Filmen vor wie hinter der Kamera beteiligt, insbesondere seit sich beider Freundschaft nach Beiersdorfs Trennung von Zobus vertieft.
In jener Zeit, 1976/1977, produziert und inszeniert Dagmar Beiersdorf ihr erstes abendfüllendes Werk „Puppe kaputt“, das – ganz dem Zeitgeist gemäß, doch Motive aufgreifend, welche schon in „Alle Mädchen heißen Mäuschen“ zu finden gewesen sind – die Emanzipation einer Frau behandelt. Auch ihre weiteren Filme entstehen meist mit minimalem, aus eigener Tasche aufgebrachtem Budget, kleinem Team und zum großen Teil mit Freunden als (Laien-) Darstellern. Wegen dieser Produktionsbedingungen und der für damalige Verhältnisse ungewöhnlich direkten Darstellung von Intimitäten und gesellschaftlichen Außenseitern werden sie dem „Undergroundkino“ zugeordnet – ebenso wie zahlreiche Filme Lamberts, die Beiersdorf jedoch immer wieder als zu kraß bezeichnet. Tatsächlich sind ihre Arbeiten vergleichsweise dezenter, aber auch konventioneller gestaltet.
Trotz der jahrzehntelangen engen Freundschaft und künstlerischen Kooperation führen Beiersdorf und Lambert nur einmal gemeinsam Regie: 1984 bei der relativ aufwendigen Fernsehcoproduktion „Der sexte Sinn“.
1982 läuft Dagmar Beiersdorfs zweiter Spielfilm „Dirty Daughters – Die Hure und der Hurensohn“, ein einem authentischen Schicksal nachgezeichnetes Drama um eine junge Berliner Prostituierte und einen libanesischen Asylbewerber, auf der Berlinale. Die Hauptrollen spielen neben Lambert Dagmar Beiersdorf und ihr Mann Mustafa Iskandarani, ein ehemaliger libanesischer Asylbewerber,
mit dem sie seit 1977 verheiratet ist und der in diversen weiteren Streifen von ihr wie von Lothar Lambert auftritt. Sowohl „Dirty Daughters“ als auch „Die Wolfsbraut“, die 1984/1985 entstandene Geschichte einer ungewöhnlichen Frauenbeziehung, uraufgeführt auf den Hofer Filmtagen und auch zu sehen beim Saarbrücker Festival um den Max-Ophüls-Preis sowie der Berlinale, sorgen zumindest in West-Berlin für volle Kinos.
Nach einer längeren Pause inszeniert Beiersdorf 1991 mit „Eine Tunte zum Dessert“, einer Fortsetzung von „Die Wolfsbraut“, ihren letzten Spielfilm.
1997 entsteht noch „Kuck mal, wer da filmt!“, ein „höchstpersönliches Doppelportrait“ über sie selbst, Lambert, beider Filme und ihre Freundschaft.
Danach zieht die Künstlerin, die Rollenangebote – außer von Lambert – und Regieaufträge stets abgelehnt hat, sich vollständig ins Privatleben zurück und widmet sich, wie schon einige Jahre zuvor begonnen, der Malerei, darin ihrem unter dem Künstlernamen Iskan auftretenden Mann folgend. Dagmar Beiersdorf lebt in Berlin-Wannsee.
Kurzfilmographie
Krimi-Abend, 1971
Puppe kaputt, 1976/1977
Dirty Daughters – Die Hure und der Hurensohn, 1979-1981
Der sexte Sinn, 1984 (Co-Regie: Lothar Lambert)
Die Wolfsbraut, 1984/1985
Eine Tunte zum Dessert, 1991
Kuck mal, wer da filmt! – Meine Freundschaft mit Lothar Lambert, 1997