Lothar Lambert

German Mumblecore seit 1971

Gut darauf, schlecht dran

Inhalt (ENTHÄLT SPOILER)

Die Kamera fährt aus einem dunklen Treppenhaus in einen grauen Hinterhof, schwenkt die Fassaden ab, verschwindet schließlich im Eingang des Hinterhauses. Ein Zimmer mit Plakaten von Lothar-Lambert-Filmen an der Wand. Auf einem Tisch das Buch „Lambert Underground“, ein maschinegeschriebener Brief, ein Umschlag, ein Telephon, Schreibtischutensilien. Aus dem Off verliest Lothar Lambert das an ihn gerichtete Kündigungsschreiben des Vermieters der Wohnung in der Oppelner Straße, der Caligula GmbH. Die Kamera bewegt sich weiter durch die Räume, in denen auch ein Schneidetisch steht. Auf Spulen, die sich auf diesem drehen, blickend, verharrt sie schließlich. Der Filmtitel. Leicht be-, teils auch verkleidete, meist junge Männer tanzen an der Berliner Gedächtniskirche auf der Straße. Eine Frau mittleren Alters beobachtet das Treiben. Sie steht vor einer Wand mit beschmierten Plakaten des Dagmar-Beiersdorf-Films „Eine Tunte zum Dessert“ mit Lothar Lambert. Eine andere, ebenfalls nicht mehr ganz junge Frau stößt zu ihr. „Mitten auf dem Kurfürstendamm“ entwickelt sich ein Gespräch voller Mißverständnisse, nicht zuletzt durch die leichte Beschränktheit und Schwerhörigkeit der Hinzugekommenen. Die erste hat ihre Mutter im Getümmel verloren, die andere berichtet über ihre Eheprobleme und ihr eheliches Sexualleben und empört sich „über diese Schwulen, diese Asozialen, diese Ausländer“, welche vor ihrer Nase herumtanzen. Man erörtert Vergewaltigung, sexuelle Alpträume und was aus Berlin geworden ist, seit die Mauer weg ist. Szenenwechsel. Schwenk von einem an der Wand hängenden Gemälde auf ein junges Paar, welches sich im Bett miteinander vergnügt. Während immer wieder weitere Gemälde zwischengeschnitten werden, erfährt man, daß der Mann offenbar unter Erektionsstörungen leidet. Die Frau steht auf, kommt mit einer Marienkäferhaube auf dem Kopf wieder, als dies nicht wirkt mit Fransenminirock und Blumenkette, tanzend. Schließlich will sie ihren Partner als Tiger verkleiden und als Dompteuse bändigen. Es entwickelt sich eine Rangelei. Dann möchte die Frau Kakao kochen. Angezogen kehrt sie ins Schlafzimmer zurück, nun präsentiert der Mann ihr eine Erektion, doch sie reagiert nicht so, wie er es sich gewünscht hat. Sie empfiehlt, er solle „doch noch so ein Scheißbild“ malen. Man scheidet im Streit. Die Kamera zeigt ein Gemälde, in dem eine Frau ein Messer auf einen Mann richtet. Szenenwechsel. Eine ältere Frau versprüht singend Raumspray. „Heute wird’s was!“ bekräftigt sie gegenüber sich selbst und beginnt mit einer Reihe von Telephonaten, um jemanden zu finden, der sich mit ihr treffen und vielleicht etwas unternehmen möchte. Man sieht und hört immer nur die Frau, an verschiedenen Orten in ihrer Wohnung, aus den Gesprächsausschnitten geht hervor, daß sie ein ums andere Mal abgewiesen wird. Ihre Kontaktversuche werden immer verzweifelter. Schließlich liegt sie in der gefüllten Badewanne. Das Telephon klingelt. Sie weist den Anrufer ab: Sie habe nun leider schon eine Verabredung. Aber: „Wir sehen uns bestimmt irgendwann irgendwo wieder.“ Die Kamera schwenkt auf einen auf dem Wannenrand liegenden Fön. Szenenwechsel. Wieder die beiden Frauen auf dem Kurfürstendamm. Die eine beklagt, was aus diesem geworden sei. Die andere bestärkt sie darin und zeigt ihr in der Zeitung eine Schlagzeile: „Hilde Knef: Was hier rumkraucht, ist nicht mehr mein Kudamm.“ Man spricht über das Chruschtschow-Ultimatum und den nun tatsächlich erfolgenden Abzug der Amerikaner, über die Russen, den Fall des „Busenknutschers“ und wen man alles kastrieren sollte. Schließlich erzählt die eine der anderen einen anzüglichen Witz, den dann aber beide nicht begreifen. Szenenwechsel. Von der Straße aus spricht ein junger Südländer einen älteren Mann an, der in einem Vorgarten Laub harkt. Beide kommen schnell miteinander ins Gespräch, beäugt von einer Frau in einem Fenster des Hauses, und stellen fest, daß sie einander bekannt vorkommen. Der Jüngere erinnert sich an ein Auto mit großen Heckflossen. Der Ältere meint sich zu entsinnen, der Jüngere habe doch „so ein extrem gebogenes Glied“. Dieser bestätigt das und folgt willig der Aufforderung, einzutreten. Beide verschwinden im Haus. Man hört den Älteren noch rufen: „Mutti! Besuch!“ Szenenwechsel. An einem Laternenmast, an dem das Schild „Kreuzberg“ hängt (Nähe Schlesische Brücke), steht eine junge Blondine. Sie stoppt einen Wagen, steigt ein, fährt weg. Das Auto fährt auf einen verwahrlosten Platz. Die Blondine springt heraus, läuft fort. Der Fahrer rennt ihr nach, beschimpft sie, holt sie rasch ein. Da sie sich wieder losreißen kann, entwickelt sich eine wilde Verfolgungsjagd, unterbrochen von Rangeleien, durch unwirtliches Gelände mit Brachen, Industrie- und Bahnanlagen, einer Wohnwagensiedlung, einem Kanal (einstiger Todesstreifen am Landwehrkanal an der Lohmühlenstraße und Umgebung). Schließlich fesselt der Mann die Frau, über deren Kopf inzwischen eine Wollmütze gezogen ist, bindet sie stehend an ein Gitter und vergewaltigt sie. Dann nimmt er ihre Kopfbedeckung ab und geht. Sie blickt sich hilfesuchend um, bindet sich los, läuft durch das Gelände zu einer Telephonzelle. Noch bevor sie ihr Gespräch beginnen kann, kommt der Mann in seinem Auto herangefahren. Er winkt die Frau zu sich. Sie läuft zu seinem Wagen, steigt ein, beide fahren miteinander weg. Szenenwechsel. Abermals die beiden Frauen. Die eine erzählt davon, wie sie aus Pommern vertrieben wurde, und zwar bis nach Hodenhagen, derweil ihre Mutter in Schwerin hängenblieb. Die Schwerhörige meint, dann habe ihre Nachbarin ja dort Asyl gefunden, sei folglich eine Asylantin. Diese erwidert empört, sie sei eine gute Deutsche, darüber habe sie einen Nachweis. Die andere kann nur ihren BDM-Ausweis bieten. Aber beide haben Juden versteckt gehabt. Über die sexuellen Eskapaden der Mutter gelangt man zum Schmuddelfilm, welcher am Vorabend im Fernsehen lief, und zwar bei der Vertriebenen, wie die Schwerhörige durch die Wand gehört haben will. Schließlich stellt sich heraus, daß die andere Derartiges auch schon gesehen hat. Das Gespräch kommt auf die Homo-Ehe, die Schwerhörige regt sich über die tanzenden Schwulen auf und schließlich über eine alte Frau zwischen diesen. Die Vertriebene erkennt in der Seniorin ihre Mutter. Szenenwechsel. Trotz intensiver Bemühungen gelingt es einer älteren Frau nicht, einen äußerst aufdringlichen Zeitschriftenvertreter abzuwimmeln. Schließlich willigt sie entnervt ein, eine Illustrierte zu abonnieren. Sie verläßt das Zimmer zum Kaffeekochen, der Mann schiebt ihr zufrieden noch ein zweites Abonnement unter. Die Frau schleicht sich unbemerkt an ihn heran und schlägt ihn hinterrücks mit einer Bratpfanne nieder. Als er auf dem Boden liegt, fällt auf ihn eine Lawine von Zeitschriften, welche auf einem Schrank gelegen haben. Er stöhnt und windet sich. Szenenwechsel. Eine Frau betritt mit ihrem kleinen Sohn einen Friedhof. Am Grab von Marlene Dietrich hört erst das Kind, dann auch seine Mutter scheinbar die Stimme der greisen Diva, welche leicht lallend teils wirres, teils obszönes Zeug von sich gibt. Die Kamera streift derweil über den Friedhof, die Bäume, die Fassaden der ihn umgebenden Häuser, durch ein Friedhofsgebäude. Das Kind ist an dem akustischen Phänomen interessiert, die Mutter darüber eher entsetzt. Schließlich drängt sie zum Aufbruch, möchte sich aber noch an dem Prominentengrab photographieren lassen. Das Sofortbild, welches das Kind von ihr schießt, zeigt sie wunderbarerweise als Marlene verkleidet. Beide verlassen den Friedhof. Szenenwechsel. Ein Verhörraum in einem Gefängnis. Eine junge Frau berichtet einem Mann rauchend von ihren zahlreichen, durchaus intimen Begegnungen mit Männern, philosophiert über deren Bedürfnisse und den Umgang mit ihnen. Der Verhörer tauscht Blicke mit der genervten Wärterin aus. Die junge Frau gerät schließlich in Wallung, halluziniert offenbar, fängt sich zwischendurch wieder, erzählt, die Männer wollten immer entweder eine Hure oder eine Heilige. Nach ihrem nächsten Anfall klärt man sie darüber auf, sie sei nicht im Krankenhaus, sondern im Gefängnis, wegen der Männer, die sie umgebracht habe. Sie zeigt sich entsetzt, meint dann entschuldigend: „Männer sind doch wie Schmetterlinge – ich kann sie doch nicht einfach wegfliegen lassen!“ Abspann, in dem auch erstmals die Titel der einzelnen Episoden genannt werden: „Mitten auf dem Kurfürstendamm“, „Versuch macht klug“, „Die letzte Verabredung“, „Man kennt sich“, „Jagdgründe“, „Übers Ohr gehauen“, „Grabgesang“, „Die Schmetterlingssammlerin“.